Raubverlage und Pseudo-Fachzeitschriften

Wo Sie Ihre wissenschaftliche Arbeit besser nicht veröffentlichen sollten

Bildnachweis: Bank Phrom on Unsplash

„Wir könnten uns vorstellen, Ihre Arbeit als Fachbuch in unser Buchprogramm aufzunehmen“ las mir meine Kommilitonin freudestrahlend nur wenige Wochen nach der Abgabe ihrer Bachelorarbeit vor. Sie hatte eine E-Mail vom AV AkademikerVerlag erhalten mit dem Angebot, ihre Abschlussarbeit kostenlos veröffentlichen zu dürfen. Leider trübte ihre Freude, dass ich dieselbe E-Mail auch erhalten hatte. Scheinbar wurde die Webseite unserer Fakultät nach eingereichten Abschlussarbeiten durchsucht und unsere Namen gefunden. Unser Bauchgefühl sagte uns schnell, dass unsere Arbeit nicht etwa besonders publikationswürdig war, sondern nur eine von vielen. Wir antworteten beide nicht auf die E-Mail, sondern freuten uns weiter über unseren erfolgreichen ersten Studienabschluss.

Aber was genau steckt hinter dieser E-Mail?  

 

Raubverlage setzen auf Quantität vor Qualität 

Der AV AkademikerVerlag gehört zur OmniScriptum-Gruppe bzw. International Book Market Service Ltd. (früher VDM-Verlag) mit Sitz in Riga. Neben dem AV AkademikerVerlag zählen noch weitere Marken dazu, z.B. Lambert Academic Publishing, Lehrbuchverlag oder der Südwestdeutsche Verlag für Hochschulschriften. Die vielen Marken, geänderten Namen des Dachverlags und auch der Firmensitz bei deutschsprachigen Arbeiten machen stutzig. Der Vorteil einer Veröffentlichung in diesem Verlag ist, dass diese kostenlos ist. Zudem gibt der Verlag an, dass die Urheberrechte am Werk nicht entzogen würden. Man könne dort seine Abschlussarbeit „schnell, unkompliziert und kostenlos“ veröffentlichen.
Der große Nachteil jedoch: ein Peer-Review findet nicht statt, was offen bekundet wird. Was Peer-Review bedeutet und warum diese Verfahren wichtig für die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten ist, erfahren Sie in diesem Blog-Beitrag

Der Fokus des Verlags liegt somit nicht auf der Qualität der veröffentlichten Arbeiten, sondern der reinen Anzahl der Titel. Mittlerweile sind über 200.000 Titel im Angebot, die teuer vom Verlag verkauft werden. Die Bücher werden auch nicht gedruckt beim Verlag vorgehalten, sondern erst auf Bestellung produziert. Die Preise für die Werke sind vergleichsweise hoch und damit die Chance, dass das Werk gekauft wird und an Reputation gewinnt, gering.

Professor Sterne von der McGill University in Montreal in Kanada stuft eine Veröffentlichung in einem solchen Verlag als Entwertung ein. Die Arbeiten würden auf einem „akademischen Friedhof“ enden. 

Die meisten Hochschulen und Universitäten stellen veröffentlichte Abschlussarbeiten Open Access über hauseigene Repositorien oder Publikationsplattformen zum Download bereit. Gemeinsam durchsuchen lassen sich diese über Metasuchmaschinen wie BASE. Damit wird die Veröffentlichung einer Abschlussarbeit bei einem Raubverlag überflüssig. Nur wer eine Arbeit gedruckt lesen möchte, kann ein teures Exemplar beim Raubverlag bestellen. Oder wendet sich direkt an die Bibliothek der Hochschule, an der die Arbeit geschrieben wurde. Dort werden die von den Absolventen gedruckten Hochschulschriften archiviert.  

 

Pseudo-Fachzeitschriften und Konferenzen

Eine weitere Falle tut sich bei Pseudo-Zeitschriften auf, im Englischen „predatory journals“ genannt. Dies sind Zeitschriften, die Gebühren von Autoren für die Veröffentlichung verlangen, aber keine qualitätssichernden Services wie Peer-Review oder ein Lektorat anbieten. Wissenschaftliche Standards werden von den Zeitschriften somit nicht eingehalten. 

Der Bibliothekar Jeffrey Beall hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine Liste dieser Zeitschriften zusammenzustellen. Seine Blacklist wurde allerdings 2017 abgeschaltet. Indes wird „Beall’s list of predatory journals and publishers“ anonym weiter betrieben und gepflegt.

Meist wird gleich eine ganze Vielzahl von Zeitschriften von einem einzelnen Verlag herausgegeben. Einer dieser Verlage ist Omics International. 2019 hat ein Gericht im US-Bundesstaat Nevada den indischen Verlagskonzern verurteilt. Omics International veröffentlichte gegen eine Gebühr die Arbeiten von Autoren in vermeintlich seriösen Fachzeitschriften. Anstelle der angegebenen 50.000 Gutachter stellte der Verlag jedoch nur 380.

Ebenfalls ein großer Verlag ist WASET, mit dessen Hilfe Autoren vorgeben können, einen Beitrag auf einer Fachkonferenz präsentiert zu haben. Bei einem Test des Norddeutschen Rundfunks wurden frei erfundene, unwissenschaftliche Beiträge sogar mit dem „Best Presentation Award“ ausgezeichnet.

 

Gründe für die Veröffentlichung bei solchen Verlagen

Studenten fühlen sich durch die Kontaktanfrage eines Verlages geschmeichelt und wären stolz, sich selbst verlegten Autor nennen zu können. Sie hinterfragen das Angebot nicht und freuen sich über die schnelle und kostenlose Veröffentlichung ihres Werkes.

Nicht nur Studenten fallen auf den Schwindel herein, auch tausende deutsche Wissenschaftler haben Arbeiten bei pseudo-wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Der Druck, neue Veröffentlichungen zu produzieren, ist so groß, dass die Kriterien der Zeitschriften nicht geprüft werden oder ähnlich klingende, seriöse Zeitschriften mit den Nachahmern verwechselt werden. Man kann davon ausgehen, dass die Veröffentlichungen der Wissenschaftler dort aus Unwissenheit und unter Zeitdruck erfolgten.

Entscheiden sich Wissenschaftler hingegen bewusst für die Veröffentlichung in solchen Verlagen, erhoffen sie sich, schnell einen weiteren Punkt in ihrem Lebenslauf hinzuzufügen. Denn ohne zeitaufwändigen Peer-Review oder andere Kontrollen erfolgt die Veröffentlichung deutlich schneller. Entscheiden sich Wissenschaftler für diesen Weg, kann jedoch schnell auch das Gegenteil des Bezweckten eintreten: statt mit einer zusätzlichen Veröffentlichung Renommee aufzubauen, verliert man es, falls informierte Kollegen auf den Fauxpas aufmerksam werden.

Manche Wissenschaftler, die die „predatory journals“ durchschaut haben, machen sich einen Spaß daraus, Quatsch-Artikel in den Zeitschriften zu veröffentlichen. Dies ist auch eine Methode, um auf die unseriösen Verlage aufmerksam zu machen.

 

Die bessere Wahl für Ihre Publikation

Für Citavi erstellen wir Zitationsstile gemäß den Richtlinien wissenschaftlicher Fachzeitschriften oder Verlage. Dafür benötigen wir die verlinkten Originalvorgaben und können so prüfen, welcher Verlag dahintersteckt. Handelt es sich um einen Verlag, der auf "Beall's list of predatory publishers & journals" aufgeführt ist und im Verzeichnis "Quality Open Access Market" nicht auftaucht, weisen wir darauf hin und verzichten auf die Erstellung des Stils.

Das ist ein erster Hinweis darauf, dass Sie die Zeitschrift, in der Sie veröffentlichen möchten, besser nochmals genauer anschauen sollten. Welche Punkte Sie bei der Wahl eines Verlages oder einer Zeitschrift für die Veröffentlichung Ihrer Arbeit noch prüfen sollten, fasst die Initiative Think. Check. Submit zusammen. Ihre Bibliothek unterstützt Sie auch bei Ihrer Entscheidungsfindung.

 

Sind Sie auch (beinahe) auf solch einen Verlag hereingefallen? Erzählen Sie von Ihren Erfahrungen auf Facebook.

 

Zur Vertiefung:

Video: Fake Science - Die Lügenmacher

Erstellt von: Jana Behrendt – Veröffentlicht am: 07.05.2019
Tags: Gut zu wissen


Über Jana Behrendt

Jana Behrendt interessiert sich für alles rund um die persönliche Wissensorganisation – wie man es von einer studierten Bibliothekarin erwarten würde. Dafür liest sie in Ihrer Freizeit ziemlich wenig. Sie liebt es aber, in den Schweizer Bergen zu wandern – solange sie nicht nach unten schauen muss.

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