Zitieren Sie nicht blind

Warum Sie Sekundärzitate vermeiden sollten

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Sie haben bestimmt auch schon einmal von einem Bekannten gehört, dass dessen Kumpel gesagt hat, seine Freundin habe gemeint... Da könnten die Worte der Freundin schon einmal aus dem Zusammenhang gerissen werden und ein Missverständnis oder gar Streit ist vorprogrammiert.

Dasselbe Phänomen zeigt sich beim Spiel “Stille Post”, bei dem ein komplizierter Satz über viele Personen hinweg ins Ohr zugeflüstert wird. Was man verstanden hat, flüstert man der nächsten Person zu. Die letzte Person sagt dann den Satz in der Gruppe laut - und er entspricht fast nie dem, was die erste Person ursprünglich gesagt hatte.
Das kann sehr lustig werden.

Leider könnte dieser Stille-Post-Effekt auch beim wissenschaftlichen Arbeiten entstehen.
Auch hier werden fremde Aussagen in der eigenen Arbeit aufgegriffen und beim Zitieren belegt. Die originären Aussagen und Erkenntnisse dürfen aber auf keinen Fall verfälscht wiedergegeben werden. Das Ergebnis wäre hier schlimmer als ein Streit und auch keineswegs lustig:
Sie setzen sich dem Vorwurf des Plagiats aus.

Deshalb sollten Sie die Quellen immer im Originaltext selbst lesen und aus diesem Originaltext zitieren. Nur so können Sie sicher sagen, was tatsächlich Inhalt der Quelle ist.

Wenn Sie den Originaltext nicht lesen, spricht man von einem Sekundärzitat:

Sekundärzitate sind Zitate, die Sie nicht der Originalquelle entnehmen, sondern einer anderen Quelle, die ihrerseits die Originalquelle zitiert hat (Sekundärquelle). Bei einem Sekundärzitat zitieren Sie also quasi "aus zweiter Hand". Dass Sie nicht aus der Originalquelle zitiert haben, müssen Sie dabei in jedem Falle deutlich machen.
Kennzeichnen Sie hingegen ein Sekundärzitat nicht korrekt, sondern schreiben einfach das Zitat ab, wird dies "Blindzitat" genannt. Blindzitate sind Plagiate. Dass Blindzitate leider häufiger vorkommen, als der wissenschaftlichen Qualität zuträglich ist, zeigt dieses Fallbeispiel der TU Hamburg-Harburg. Eine häufige Zitierung eines Tagungsbeitrages wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach abgeschrieben, ohne dass die Quelle im Original überprüft wurde – oder die Sekundärquelle angegeben wurde.

Wie gehen Sie in der Praxis richtig vor?

Beispiel:

Sie lesen einen Artikel von Meier aus dem Jahr 2018, der seine Methodik an die von Bauer et al. 2016 anlehnt. Diesen methodischen Ansatz von Bauer et al. 2016 möchten auch Sie bei Ihrer Arbeit verfolgen.

 

Die beste Lösung:

Was wäre, wenn Meier 2018 die Methodik von Bauer et al. 2016 falsch verstanden oder fehlinterpretiert hätte? Wenn Sie unbesehen auf Bauer et al. 2016 verweisen, säßen sie demselben Irrtum auf, ohne es zu merken. Das können Sie nur verhindern, wenn Sie Bauer et al. 2016 selbst lesen.

Schauen Sie deshalb im Literaturverzeichnis von Meier 2018 nach, welche Studie von Bauer et al. 2016 gemeint ist. Diese Studie recherchieren Sie nach und beschaffen sich den Artikel. Meist ist dies einfach über die Datenbanken oder Kataloge Ihrer Bibliothek möglich. Sie laden den Artikel direkt herunter oder leihen das Buch vor Ort aus.

Befindet sich das Buch, in der die Originalstudie abgedruckt ist, nicht in Ihrer Universitätsbibliothek oder anderen Bibliothek in Ihrer Stadt, nutzen Sie die Fernleihe. Informieren Sie sich auf der Website Ihrer Bibliothek, aus welchen anderen Bibliotheken des In- und Auslandes Fernleihbestellungen in Ihre Bibliothek möglich sind. Hier wird auf regionale oder überregionale Kataloge verlinkt, in welchen Sie Ihre Recherche nach der Originalquelle fortsetzen können.

Die mitunter aufwändige Beschaffung der Originalquelle lohnt sich:

Nun prüfen Sie die Studie und können sicher sein, dass Sie den Versuchsaufbau korrekt wiedergeben.

 

Die Zwischenlösung:

Sie werden unter Umständen etwas warten müssen, bis Sie an die Originalquelle herankommen. Entweder streikt gerade Ihre VPN-Verbindung, sodass Sie keinen Zugriff auf die Datenbanken Ihrer Institution haben. Oder der Artikel ist nur gedruckt verfügbar, und muss erst aus einer anderen Bibliothek bestellt werden.

Um dadurch Ihren Schreibfluss nicht zu unterbrechen und das Zitat direkt verwerten zu können, erfassen Sie es vorübergehend als Sekundärzitat:

(Bauer et al. 2016 zitiert nach Meier 2018)

Am besten kennzeichnen Sie diese Stelle zusätzlich mit einer Hervorhebung, damit Sie sie anpassen können, sobald Sie die Originalquelle vorliegen und die Aussagen überprüft haben.

Wenn Sie ein Literturverwaltungsprogramm wie Citavi verwenden, erfassen Sie dementsprechend die Originalquelle und die Sekundärquelle, in der Sie das Zitat gefunden haben, und zitieren beide in einem Nachweis wie eben beschrieben.

Citavi bietet darüber hinaus die Möglichkeit, den Inhalt eines Zitats in einem sogenannten Wissenselement aufzunehmen. Für ein Sekundärzitat sind dabei einige Besonderheiten zu beachten:

  1. Nehmen Sie das Zitat nicht bei der Sekundärquelle auf, bei der Sie es gefunden haben, sondern als Zitat bei der Originalquelle. Fügen Sie nach dem Zitattext in Klammern ein: (zitiert nach: Citavi-Kurztitel der Sekundärquelle, Seiten). Den Citavi-Kurztitel der Sekundärquelle übernehmen Sie aus dem Titeleintrag, den Sie für die Sekundärquelle angelegt haben.
  2. Fügen Sie der Originalquelle eine Aufgabe hinzu: Titelangaben und Zitat überprüfen. (So erstellen Sie selbstdefinierte Aufgaben.)
  3. Beschaffen Sie sich die Originalquelle. Sobald Sie diese vor sich haben, überprüfen Sie den Wortlaut des Zitats. Ist er korrekt, streichen Sie in Citavi im Zitat den in Klammern gesetzten Zusatz (zitiert nach … ). Kennzeichnen Sie die Aufgabe als erledigt.

 

Die Notlösung:

In manchen Fällen ist es jedoch schwierig, die Originalquelle zu beschaffen:

  • Eine gedruckte Studie, die nur in einer Bibliothek in Alaska vorhanden ist
  • Ein unveröffentlichter Firmenbericht
  • Ein fremdsprachiger Artikel, der in Ihrem Land und Ihrer Sprache nicht verfügbar ist

Falls Sie den Originaltext tatsächlich nicht beschaffen können, müssen Sie in Ihrem Text das Sekundärzitat zusammen mit dem Klammerzusatz verwenden. Das Chicago Manual of Style und die American Psychological Association geben vor, dass folglich auch nur die Sekundärquelle im Literaturverzeichnis aufgeführt wird. Die Originalquelle wird nicht direkt zitiert und somit auch nicht im Literaturverzeichnis gelistet.

Dennoch gilt:

Sekundärzitate sind ein wissenschaftlicher Notbehelf. Sie sollten auf diese nach Möglichkeit verzichten und die Mühe auf sich nehmen, den Originaltext zu beschaffen. Verwenden Sie häufig Sekundärzitate, wird sich der Leser Ihrer Arbeit die Frage stellen, warum Sie sich nicht die Mühe gemacht haben, die Originalquelle zu beschaffen. Das wirft kein gutes Licht auf Ihre Arbeit.

Unter Umständen lässt sich auch eine alternative Arbeit finden, die einen vergleichbaren Beleg liefert, aber leichter zu besorgen ist.

Übrigens sind Datenbanken wie Statista nicht die Originalquelle für die Diagramme, die Sie dort erhalten. Auch hier müssen Sie sich die Originalquelle beschaffen.

 

Sie wissen nun, wie es richtig geht: bereiten Sie dem Stillen-Post-Effekt beim wissenschaftlichen Arbeiten ein Ende und tappen Sie nicht mit Blindzitaten im Dunkeln!

 

Sind Sie auch einmal einem Blindzitat auf die Schliche gekommen?

Welche Quelle konnten Sie einfach nicht auftreiben und mussten auf ein Sekundärzitat ausweichen?

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare auf Facebook.

 

Erstellt von: Jana Behrendt – Veröffentlicht am: 04.12.2018
Tags: Zitieren


Über Jana Behrendt

Jana Behrendt interessiert sich für alles rund um die persönliche Wissensorganisation – wie man es von einer studierten Bibliothekarin erwarten würde. Dafür liest sie in Ihrer Freizeit ziemlich wenig. Sie liebt es aber, in den Schweizer Bergen zu wandern – solange sie nicht nach unten schauen muss.

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